Von der Forstwirtschaft zum globalen Prinzip

Verleihung des Friedenspreises des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels für 1973 an den Club of Rome in der Paulskirche Frankfurt. V. l. n. r.: Ernst Klett, Aurelio Peccei, Eduard Pestel (beide Mitglieder des Exekutiv-Komitees des „Club of Rome“)

Außerhalb der Forstwirtschaft wurde der Begriff Nachhaltigkeit erst Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts einer größeren internationalen Öffentlichkeit bekannt. 1972 erschien eine Studie, die die Sicht der Welt auf die Wachstums-Doktrin der (westlichen) Wirtschaft grundlegend verändern sollte und dabei auch den Begriff Nachhaltigkeit (engl. sustainability) verwendete: „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome. Basierend auf Computersimulationen, kam ein Team von Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zu einem erschreckenden Resultat: Würde die Menschheit in gleicher Weise die Ressourcen der Welt ausbeuten wie in den zurückliegenden 1.000 Jahren, wäre der Kollaps der ökologischen Systeme der Erde nur noch eine Frage der Zeit.

Die Simulationstechnik der MIT-Forscher verlieh den Prognosen zur damaligen Zeit eine wissenschaftliche Überzeugungskraft, die nicht unerheblich zum Erfolg der Studie beitrug. Das Buch wurde weltweit über zwölf Millionen Mal verkauft. Allerdings machte sich schon früh auch Kritik breit, denn die Studie behandelte wichtige Faktoren des Wirtschaftswachstums wie den Preismechanismus oder den technischen Fortschritt nur sehr oberflächlich. In der Zwischenzeit haben sich die Vorhersagen des Club of Rome größtenteils als verfehlt herausgestellt. Die Beachtung der „Grenzen des Wachstums“ beruhte ganz wesentlich auf den aktuellen Entwicklungen der damaligen Zeit, allen voran die Ölkrise und die damit einhergehende  Sorge um die sehr schnelle Verknappung des Schmierstoffs der Weltwirtschaft, des Erdöls.

Aber ohne die weltweite Debatte über die von der Studie prognostizierten apokalyptischen Szenarien hätte das Thema Nachhaltigkeit kaum die Bedeutung erlangt, die es ab den achtziger Jahren haben sollte. Als Folge der kritischen Wachstumsdebatte erschien 1980 zunächst die Studie „Global 2000“, die der damalige US-Präsident Jimmy Carter in Auftrag gegeben hatte. Auch sie skizzierte ähnlich apokalyptische Szenarien wie „Die Grenzen des Wachstums“. Auch wenn sie mit Beginn der Regierung Reagan keinen Einfluss mehr auf die Politikpraxis der USA haben sollte, wurde mit ihr der Begriff Nachhaltigkeit zum bekannten Mahnwort.

1987 wurde „Unsere gemeinsame Zukunft“ veröffentlicht; ein Bericht der von den Vereinten Nationen (UN) eingesetzten Weltkommission für Entwicklung und Umwelt. Er wurde nach der Vorsitzenden der Kommission, Gro Harlem Brundtland, auch als „Brundtland-Bericht“ bezeichnet. Er markierte den Anfang der eigentlichen Nachhaltigkeitsdebatte in der internationalen Politik und globalen Öffentlichkeit. Die Botschaft war klar: Nachhaltige Entwicklung kann nur dann erreicht werden, wenn Nord und Süd gleichermaßen daran arbeiten, miteinander kooperieren und zu gleichen Teilen profitieren.

Im Gegensatz zu der Debatte der siebziger Jahre sah der Brundtland-Bericht im Wirtschaftswachstum keineswegs das Problem, sondern sogar einen wichtigen Teil der Lösung. Zwar sollte Wachstum laut den Autoren der Studie umweltfreundlich sein, aber das Wachstumsziel als solches wurde grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Vielmehr könne nur eine Phase lang anhaltenden globalen Wachstums die großen Armutsprobleme in der Welt beseitigen.

Nach dem Beginn der eigentlichen Nachhaltigkeitsdebatte durch die Veröffentlichung des Brundtland-Berichts folgte eine Reihe von internationalen Studien, die sich mit dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung befassten. Die Diskussionen um diese Studien verlangten nach internationalen Lösungen durch die Politik. 1992 fand das bis dahin größte Treffen von Staats- und Regierungschefs in Rio de Janeiro statt, das bis heute alle anderen an Bedeutung übertrifft: UNCED, die Konferenz der UN über Umwelt und Entwicklung („Rio-Konferenz“). Die Konferenz verdeutlichte den scharfen Gegensatz der Interessen zwischen Nord und Süd. Während der Süden vor allem an industrieller Entwicklung interessiert war, wollten viele Industriestaaten die globalen Umweltprobleme anpacken. Die UNCED verabschiedete trotz dieses Grundkonflikts immerhin eine Anzahl wegweisender Dokumente, von denen zwei bis heute die  Nachhaltigkeitsdebatten beeinflussen: Die „Rio-Deklaration“ (zum pdf der UN) stellte 27 Grundsätze über Umwelt und Entwicklung auf, während die „Agenda 21“ (zum pdf der UN) den Vorschlag eines globalen Aktionsprogramms machte, in dem die Handlungsfelder (z. B. Landwirtschaft, Artenvielfalt, Abfallentsorgung) und Akteure (z. B. Kommunen, Privatwirtschaft, Gewerkschaften) benannt und viele Denkansätze zum nachhaltigen Umsteuern geliefert wurden.