Forstwirtschaft und -politik in der EU

Wald in Schweden. Foto: C. Blohm

Mehr als 40% der Landfläche der EU sind von bewaldeten Flächen bedeckt. Annähernd ein Viertel der EU-Waldfläche steht unter dem Schutz der Natura 2000-Richtlinie, und auch auf dem Rest der Fläche leben zahlreiche geschützte Arten. Gleichzeitig dient die EU-Waldfläche als Rohstofflieferant. Die Holz- und Forstwirtschaft erwirtschaftet mit EU-weit 3,5 Millionen Beschäftigten einen jährlichen Umsatz von fast 500 Milliarden Euro (EU-Forststrategie, 2013). Die Anforderungen an den Wald sind nicht nur auf nationaler sondern auch internationaler Ebene vielfältig und verändern sich insbesondere unter dem Aspekt des Klimawandels ständig.
Die Zuständigkeit für die Forstpolitik liegt bei den Mitgliedstaaten. Nationale Forstprogramme greifen unter dem Aspekt der Multifunktionalität des Waldes und einer nachhaltigen Entwicklung das gesamte Themenspektrum auf, welches den Wald betrifft: Seine Produktionsfunktion, seine Schutzfunktionen und seinen Beitrag hinsichtlich gesellschaftlicher und kultureller Aspekte (Erholung, Tourismus, Entwicklung im ländlichen Raum).
Durch das Subsidiaritätsprinzip und dem Konzept der Mitverantwortung kann die EU durch gemeinsame Maßnahmen einen Beitrag zur Durchführung der Forstpolitik leisten. Bisweilen sind im Wesentlichen folgende zwei den Wald betreffende politische Instrumente  innerhalb der EU von tragender Bedeutung: Die Waldkonvention zum Schutz der Wälder und die Forststrategie (verbunden mit dem Forstaktionsplan) zur Förderung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung.

Zypriotischer Wald. Foto: F. Bombosch

Waldkonvention
Ursprünglich war es das Bestreben auf der  Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference on Environment and Development/UNCED) 1992 in Rio de Janeiro eine Einigung bezüglich einer internationalen, rechtsverbindlichen Waldkonvention zum Schutz der Wälder zu treffen. Da dies aufgrund mehrerer Unstimmigkeiten zwischen den teilnehmenden Ländern weder in Rio noch bei diversen weiteren Nachfolgeprozessen umgesetzt wurde, bewirkte der lange und zähe Prozess um dieses Thema, dass die FOREST EUROPE (Forstministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa) auf ihrer letzten Ministerkonferenz 2011 in Oslo zumindest auf UN-Ebene erstmalig Verhandlungen für eine rechtlich verbindliche Vereinbarung über Wälder in Europa in Gang setzte.
Die FOREST EUROPE wurde 1990 als eine Kooperation zwischen 46 Ländern und der Europäischen Union ins Leben gerufen, die sich mit politisch und gesellschaftlich relevanten Themen bezüglich Wald und Forstwirtschaft beschäftigt. Unter der Beobachtung von internationalen und zwischenstaatlichen Organisationen, außereuropäischen Staaten, Waldbesitzerverbänden und forstlichen Interessensgruppen wurden in den vergangenen Jahren europaweit geltende Empfehlungen verabschiedet, die dem Schutz der Wälder in Europa dienen sollten.
Um die vielfältigen Funktionen des Waldes zu sichern, seinen Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung zu gewährleisten, haben 2011 in Oslo die zuständigen Forstminister unter der Beachtung von Europa-2020-Zielen ein Arbeitsprogramm zur Waldkonvention entwickelt. Darin enthalten sind strategische sowie messbare Ziele und verbindliche Maßnahmen, um die politische Zusammenarbeit der europäischen Länder zu stärken und die Umsetzung von international vereinbarten Zielen zu gewährleisten. Das FOREST EUROPE-Arbeitsprogramm legte fünf Themenfelder fest, inklusive einer externen Überprüfung des Prozesses, und gestaltete andere Aktivitäten in Bezug auf ein rechtsverbindliches Waldinstrument für Europa. Ein Beschluss dieser Waldkonvention würde bedeuten, dass die Forstpolitik in der EU eine rechtliche Verankerung und somit eine geregelte Struktur hätte, die bisher fehlt.

Küstenwald an der deutschen Ostsee. Foto: M. Kühling

Forststrategie
Durch die Verpflichtungen aus der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992 (UNCED), weiteren Folgekonferenzen und der Forstministerkonferenzen zum Schutz der Wälder in Europa (FOREST EUROPE), hat die Europäische Kommission 1998 durch eine Forststrategie mehrere Arbeitsschwerpunkte zur Förderung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung in Europa festgehalten:

-    Politik der Entwicklung des ländlichen Raums
Sie  ist das Hauptinstrument für die Durchführung der Forstpolitik der EU auf Gemeinschaftsebene. 90% der EU-Finanzmittel für die Forstwirtschaft werden derzeit durch die Verordnung über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums bereitgestellt und sind hier für forstliche Maßnahmen zweckgebunden.
-    Schutz gegen Brände und Luftverschmutzung
Luftverschmutzung und Waldbrände stellen in der EU ein großes Problem dar. Praktische Gemeinschaftsaktionen fördern den Informationsaustausch und Erfolge bei Bekämpfungs- und/oder Schutzmaßnahmen.  
-    Erhaltung der Biodiversität
durch Natura 2000
-    Klimawandel
Nachhaltig bewirtschaftete Wälder dienen als CO2-Senken. Gleichzeitig müssen Maßnahmen zur Anpassung der Wälder an die neuen klimatischen Bedingungen geprüft werden.
-    Wettbewerbsfähigkeit der Holz verarbeitenden Industrie
vermehrte Aufklärungs- bzw. Öffentlichkeitsarbeit über nachhaltig bewirtschaftete Wälder und daraus resultierende nachhaltige Nutzung des Rohstoffs Holz.
-    Forschung
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaftlichen und Technischen Forschung fördert die Wettbewerbsfähigkeit des Forstsektors und entwickeln sie weiter.

Die Forststrategie aus dem Jahr 1998 galt als Rahmen für Maßnahmen, die Wald und Forstwirtschaft betreffen, mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung und der Förderung zwischenstaatlicher Kooperationen.  Von 2007-2011 folgte ein Forstaktionsplan als Instrument zur gemeinsamen Umsetzung der Ziele aus der Forststrategie von 1998 durch die Mitgliedsstaaten. Unter der Vision der Mitgliedstaaten: „Wälder für die Gesellschaft: langfristige, multifunktionelle Forstwirtschaft, die aktuelle und künftige gesellschaftliche Anforderungen erfüllt und forstbezogene Existenzen sichert“, spielten vier Punkte eine entscheidende Rolle: Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt, Lebensqualität und Koordination zwischen den Ländern. Trotz fehlender rechtlicher Verankerung, waren die Forststrategie und der Forstaktionsplan wichtige Meilensteine in der EU-Forstpolitik. Nicht nur in Hinblick auf die gemeinschaftliche Gestaltung der EU-Forstpolitik fand ein Umdenken statt,  auch die Öffentlichkeit wurde für das Thema nachhaltige, multifunktionale Forstwirtschaft sensibilisiert.

2013 wurde, angesichts der zunehmenden Beanspruchung der Wälder seit 1998 und der erheblichen Veränderung gesellschaftlicher und politischer Ansprüche, von der Europäischen Kommission eine neue Forststrategie ausgearbeitet. Dabei wurden zehn miteinander verknüpfte Schwerpunktbereiche für die europäische Holz- und Forstwirtschaft hervorgehoben, darunter steigende Konkurrenz für die Nutzung von Holz als Rohstoff und gleichzeitige Beachtung der Ressourceneffizienz, Wettbewerbsfähigkeit des Sektors insbesondere im ländlichen Raum, Aufbau eines länderübergreifenden Waldinformationssystems, sich überschneidende Politikrahmen sowie Vorschläge zu Abhilfemöglichkeiten und  ein verstärkter Beitrag der EU zur Verringerung von Entwaldung auf globaler Ebene. Die EU-Kommission wird die neue Forststrategie zur Beratung an das Europäische Parlament und den Rat der EU-Staaten weitergeben.

Auch die neue EU Forststrategie, deren Vision sich bis zum Jahr 2050 erstreckt, bleibt weiterhin unter dem Subsidiaritätsprinzip ohne tiefgehende rechtliche Verbindlichkeiten für die EU Mitgliedstaaten. Allerdings können auf der nationalen Ebene Forstprogramme die prioritären Bereiche dieser Strategie aufgreifen und somit unterstützen. Gleiches gilt für sektorübergreifende Bereiche in der ländlichen Entwicklungspolitik. In der EU ist für die produktive Entwicklung einer subsidiären Forstpolitik das Zusammenspiel zwischen der zukünftigen Waldkonvention und der Forststrategie von entscheidender Bedeutung.