"Graffiti" oder die Geheimschrift der Förster

Ein großes, auch aus der Entfernung gut erkennbares H kennzeichnet diese alte Eiche als Habitatbaum – sie bleibt stehen und dient vielen Arten als Lebensstätte. (Foto: H. Sproßmann)

Jeder Naturfreund kennt sie, die sichtbaren Zeichen der Forstwirtschaft im Wald. Die vielfältigen, manchmal auffälligen, dann wieder diskreten, Farbmarkierungen lassen sich auch von Laien leicht lesen. Zumindest wenn man die grundlegenden betrieblichen Prozesse einer nachhaltigen und naturnahen Forstwirtschaft kennt. Wer die „Geheimschrift“ der Förster zu lesen weiß, dem erschließen sich auch als Waldbesucher interessante Details und vielleicht sogar neue Aspekte, die die ganzheitliche Sichtweise der Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes verbessern helfen.

Der Klassenprimus erhält einen weißen oder grünen Farbring oder Punkt

Wenn ein Baum in den Augen eines Försters besonders wertvoll ist, dann markiert er den Stamm mit einem grünen oder weißen Farbring oder Punkt. Diesen Prozess nennt man Auslese. Eine vitale Krone und ein langer gerader gewachsener Stamm ohne Schadmerkmale kennzeichnen solche „Zukunftsbäume“. Diese Bäume sind das Kapital des Försters und sollen in den nächsten Jahrzehnten gezielt „Speck ansetzen“ – dick werden. Damit dies geschieht, wird der Baum individuell gefördert. Um das Licht konkurrierende Nachbarbäume müssen weichen.

Roter Diagonalstrich: Der Bedränger muss weichen

Konkurrierende Nachbarbäume, auch Bedränger genannt, werden mit einem roten Diagonalstrich oder auch Punkt gekennzeichnet. Dies signalisiert dem Waldarbeiter, dass dieser Baum gefällt werden muss, ohne den Zukunftsbaum zu beschädigen. Dieser Vorgang wird als Durchforstung bezeichnet. Aber auch Bäume, die ihr Erntealter erreicht haben, werden so markiert. Sie müssen nicht wegen eines Zukunftsbaumes weichen, sondern um der nachwachsenden und nach Licht gierenden jungen Baumgeneration Platz zu machen.

Fahrbahnmarkierung auch im Wald
Einfach quer durch den Wald fahren und Bäume umsägen, geht nicht. Um über80 % der Holzernteflächen nicht befahren zu müssen, hat der Förster ein ausgeklügeltes Rückegassensystem im Wald angelegt. Nur auf diesen Gassen -und nur dort!- dürfen die Holzerntemaschinen fahren. Hier liegt auch oft eine dicke Reisigmatte, damit die Maschinen gleichsam auf einem Teppich fahren und den Boden möglichst gering verdichten. Damit der Maschinenführer die Gassen erkennt, sind diese mit einem weißen Querstrich markiert.

H-Bäume: ökologisch besonders wertvoll
Bäume mit einem auffälligen H auf dem Stamm sind Habitatbäume. Diese haben Pilzkonsolen, Höhlen oder Horste, die z. B. von Eulen, Spechten, Hohltauben oder Schwarzstörchen als Lebensstätte genutzt werden. Auch Baumveteranen, die besonders vielen Insekten ein Zuhause bieten, werden so markant markiert. Damit wird verhindert, dass dieser ökologisch wertvolle Baum gefällt wird oder in dessen Nähe etwa die Brut des Schwarzstorchs störende Holzerntearbeiten ausgeführt werden.

Doppelring
Weiße Doppelringe kennzeichnen Besitzgrenzen, aber auch Bestandes- und Abteilungsgrenzen als Gliederungseinheiten im Wald. Gleichsam die Distrikte und Viertel des Waldes. Damit schafft der Förster oder Waldbesitzer eine räumliche Ordnung im Wald – wie wir es von einem Stadtplan her kennen.

Zahlen am Stamm
... sind ein Hinweis für Jäger, wo genau sich ein Hochsitz befindet. Üblicherweise sind sie durchnummeriert, um beispielsweise bei Drückjagden die nicht immer ortskundigen Schützen effizient einweisen zu können.

Text: Dr. Horst Sproßmann, Thüringen-Forst

In jedem Bundesland sind die Zeichen ein klein wenig anders, die obige Beschreibung gilt für Thüringen. Die Erklärungen zum "Förster-Graffiti" in Bayern finden Sie hier bei den Bayerischen Staatsforsten: http://www.baysf.de/de/wald-verstehen/markierungen.html