Wirtschaftswald und bald auch Arche Noah

„Aufgeräumte und saubere“ Wälder stehen ökologisch wertvollen Wälder entgegen. Speziell Totholz erhöht die Artenvielfalt heimischer Forste deutlich. Foto: ThüringenForst, Abdruck honorarfrei

Immer mehr bedrohte Arten finden Zuflucht im Wald. Nicht trotz, sondern wegen dessen forstlicher Bewirtschaftung
Weit über 40.000 verschiedener Tier-, Pilz- und Pflanzenarten leben im Freistaat, viele davon sind sehr selten oder sogar vom Aussterben bedroht. Gemäß den Roten Listen Thüringens sind ungefähr 45 % aller untersuchten Arten gefährdet, ebenso wie 80 % aller untersuchten Biotoptypen. Der Artenverlust ist insbesondere in der offenen Landschaft dramatisch. Außerdem sind mehrere Lebensräume und ganze Lebensraumkomplexe fast vollständig verschwunden, wie etwa trockene Heiden, Gipskarst-Lebensräume oder feuchte Grünländer.

Gute Nachrichten aus heimischen Wäldern
„Aus unseren heimischen Wäldern gibt es dagegen gute Nachrichten“, so Volker Gebhardt, ThüringenForst-Vorstand. Der Uhu, Europas größte Eule, ist zurück und hat nahezu alle potenziellen Lebensräume wieder besiedelt. Auch der sehr scheue Schwarzstorch brütet wieder in zunehmender Anzahl in unseren Wäldern. Der Feuersalamander findet sich wieder vermehrt entlang naturnaher Gebirgsbäche, der Mittelspecht findet häufiger als früher alte morsche Eichen, um dort seine Bruthöhlen anzulegen. Die Restvorkommen des  Auerwilds, Deutschlands größtem Waldhuhn, wurden in Ostthüringens Wäldern vor einem vollständigen Erlöschen gerettet. Die Waldlebensräume der Wildkatze wurden durch gepflanzte Korridore miteinander verbunden. Ein Verdienst der nachhaltigen und umsichtigen Arbeit der Försterinnen und Förster im Freistaat.

Artenreichtum in naturnahen Wäldern höher als in „Urwäldern“
Forscher der Universitäten Bern und München veröffentlichten 2012 Ergebnisse eine Langzeitstudie, nach der in bewirtschafteten Wäldern ein höherer Artenreichtum vorzufinden ist als in vermeintlichen Urwaldflächen. Allein 20 % mehr Pflanzenarten wurden in naturnah bewirtschafteten Wäldern gefunden. Diese naturnahen Wälder machen nach den Ergebnissen der aktuellen Bundeswaldinventur 3 im Thüringer Staatswald mit 36 % mehr als ein Drittel der Hauptbestockung aus. Weitere knapp 50 % des Staatswaldes gelten zumindest als bedingt naturnah. Ein hohes Maß an Naturnähe zeigt an, das ein Wald weitgehend im Einklang mit der natürlichen Baumartenzusammensetzung steht. Experten machen die vielfältigen und kleinflächigen Bewirtschaftungsmaßnahmen der Forstleute und Waldbesitzer für diesen Effekt verantwortlich, die zusätzlich auch licht- und wärmebedürftige Arten fördert. Diese gedeihen in den gleichförmigen, eher schattigen Urwaldstrukturen mit ihren geschlossenen Kronendächern weniger gut.

Mit hohen Totholzanteilen „Urwaldarten“ sichern
Auf abgestorbenem Holz ist nicht nur die Vielfalt an Insekten und Pilzen besonders hoch, es finden sich dort auch besonders wertvolle „Urwald-Reliktarten“ wie der Eremit oder der Heldbock. Im Freistaat gibt es etwa 20 von bundesweit 115 dieser vom Totholz abhängigen Reliktarten, die als Weiser für „urwaldähnliche“ Waldstrukturen dienen. „Mit einem Totholzanteil von 22,3 Kubikmeter pro Hektar erreichen wir im Staatswald den höchsten Wert aller Eigentumsformen im Freistaat und übertreffen damit auch den Bundesdurchschnitt“, so Gebhardt abschließend.
Für den Waldbesucher und Naturfreund wird hingegen eines klar: Aufgeräumte und ordentliche Wälder darf er künftig nicht mehr erwarten, wenn er eine naturnahe oder gar urwaldähnliche „Arche Noah“ durchwandern will.

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