VERLIERT (BRENN-)HOLZ IM KAMINOFEN SEINE UNSCHULD?

FORSTLEUTE VERWUNDERT ÜBER FAKTENFREIE BERICHTERSTATTUNG IM ÖFFENTLICH- RECHTLICHEN TV

(Berlin) „Sagen was ist“, das war der journalistische Anspruch des legendären Journalisten Rudolf Augstein. Das bedeutete intensive Recherche mit belegten Fakten, das Einholen widersprüchlicher Meinungen aller beteiligten Seiten, so dass sich die Leser ein eigenes Bild machen konnten. Verwundert rieben sich daher viele Forstleute die Augen über einen Beitrag zur Holzverbrennung im Plusminus-Wirtschaftsmagazin des NDR. Fast faktenfrei wurden Meinungen aneinandergereiht, die mit zum Teil haarsträubenden Argumenten dem Heizen mit Holz ein schlechteres Zeugnis ausstellten als dem Heizen mit Kohle, Öl und Gas. „Wenn wir also die Welt retten oder etwas bescheidener zumindest den Klimawandel aufhalten wollten, dann dürfen wir unsere Wälder nicht antasten?“, fragt augenzwinkernd der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Forstleute Ulrich Dohle. „Offensichtlich wollte man für den Beitrag nicht verstehen, dass Wald, so wie alle Pflanzen, dank der Photosynthese mit Sonnenenergie nachwächst, auch wenn man ihn verantwortungsvoll nutzt. Dazu muss Wald natürlich Wald bleiben, das ist unsere Aufgabe.“

Plündern Brennholzinteressenten die Wälder?

Bereits in der Anmoderation wurde der Eindruck erweckt, durch den Krieg in der Ukraine und die steigenden Gaspreise zögen nun Horden von Menschen in die Wälder um dort unkontrolliert Brennholz zu holen. Fakt ist: ja die Brennholznachfrage hat enorm angezogen, Kaminholz ist bei vielen Förstern und Brennholzhändlern ausverkauft. „Das ist auch gut so“, weiß Ulrich Dohle. „Die Holznutzung ist bei uns limitiert, so dass auch Brennholz nicht unendlich zur Verfügung steht.“ Zudem ist für jeden erfahrenen Holzofenbetreiber klar, dass Brennholz aus dem Wald je nach Baumart über ein bis drei Jahre lagern muss, bevor es heizfähig ist. Holz aus dem Wald hilft also nicht für diesen Winter.

Ein Wort zu Holzpellets

Bei den ebenfalls kritisierten Holzpellets ist das anders, diese sind getrocknet und können sofort verbrannt werden. „Nach unseren Informationen sind Holzpellets die sauberste und effektivste Art mit Holz zu heizen“, so BDF-Pressereferent Rainer Städing. „Pellets sind ursprünglich nicht aus Waldrestholz entstanden, wie in Plusminus suggeriert, sondern aus den Späneabfällen der Sägewerke. Mittlerweile wird auch viel Waldholz dafür eingesetzt., Dieses eigentliche Restholz muss aber aus ökologischen Gründen im Wald bleiben, sonst läuft etwas schief.“ Schief läuft es auch, da sind sich die Forstleute mit den Sendungsmachern einig, wenn ein Großkraftwerk statt mit Kohle mit Holzpellets betrieben werden soll, die womöglich auch noch aus Übersee herantransportiert werden. In der Sendung wird nicht darauf eingegangen, dass fast 60 Prozent des Energieholzes in Deutschland nicht aus dem Wald kommen. Dazu gehört auch belastetes Altholz (15 % der Energieholzbilanz). Dieses kann zum „Knacken“ der Schadstoffe nur in größeren Verbrennungsanlagen mit entsprechenden Verbrennungstemperaturen und Filtern verbrannt werden.

Wald wächst immer wieder nach – CO2 bleibt im Kreislauf

Ein nicht belegter Kernvorwurf ist, dass Holz nicht CO2-neutral verbrennt, sondern anderthalb bis drei Mal mehr Kohlendioxyd ausstößt als Kohle, Öl und Gas. „Wenn man das Grundprinzip des Waldes nicht verstehen will, dass im System Wald für jeden genutzten oder abgestorbenen Baum andere Bäume den Platz einnehmen, weiterwachsen und CO2 aufnehmen“, so Vorsitzender Ulrich Dohle, „dann könnte man auch meinen, ein gemähter Rasen oder eine abgefressene Weide wächst nicht mehr nach.“ Fakt ist für den BDF, dass der moderate Holzentzug durch Nutzung in unseren Wäldern schnell ausgeglichen wird, so dass die CO2-Bilanz neutral ist und lediglich die Energie für den Holzeinschlag und -Transport ggf. noch die Trocknung in die Bilanz einfließen. Dadurch ist im Vergleich zu Gas und Heizöl der CO2-Ausstoß etwa zehnfach geringer.

Brennholzmarkt – begrenzt aber stabil

„Seit den Ölpreissteigerungen vor zwanzig Jahren hat sich ein stabiler Markt für Brennholz entwickelt. Die vielen Kaminofenbesitzer und Holzheizungsbetreiber sind mit ihrer Heiztechnik und ihrem Wissen um richtiges Heizen und Trocknen von Holz zumeist auf einem guten Stand. Energieholz einschließlich der vorhandenen Großanlagen deckt ungefähr elf Prozent unseres Wärmemarktes ab“, weiß Pressesprecher Rainer Städing, der den Brennholzboom seinerzeit im eigenen Revier miterlebt hat.

Warum Brennholz statt Gas - eine soziale Frage

„Da unser Holz nicht beliebig vermehrbar ist, gehen wir davon aus, dass sich der Anteil nicht sehr steigern lässt“, vermutet Pressesprecher Rainer Städing. „Holz ist ein begrenzt verfügbares und daher wertvolles Naturprodukt, das bevorzug in langlebigen Produkten verwendet werden sollte. Aber ist es nicht verständlich, dass viele Haushalte angesichts der exorbitanten Preissteigerungen beim Gas eine Alternative im Brennholz aus der Region sehen und sich dabei unabhängiger fühlen? Warum wurde diese soziale Frage im Beitrag nicht gestellt?“

Risiken und Nebenwirkungen nicht thematisiert

Sorgen machen dem BDF eventuell zunehmende Probleme, dass mit Holzöfen unerfahrene Personen nicht ausreichend getrocknetes Holz oder gar behandeltes Holz sowie Reste von Holzwerkstoffplatten, Papier und Karton verheizen. „Hier steigt das Risiko, dass in der Not alles Mögliche im Kaminofen verbrannt wird.“, sieht Pressesprecher Rainer Städing eine gewisse Gefahr. „Auch zunehmende Kohlenmonoxid-Vergiftungen durch vorzeitiges Drosseln von Öfen könnten auftreten. Auf diese Risiken hätte ein Beitrag aufklärend hinweisen können und damit der Sache mehr geholfen.“

Brennholznachfrage vernichtet keine Wälder

Geradezu manipulativ sind für den BDF die gezeigten Bilder aus den großen Waldschadensgebieten, die durch Stürme, Dürre und Borkenkäferbefall entstanden sind. „Diese Bilder mit der großen Brennholznachfrage zu verbinden, suggeriert Zusammenhänge zwischen Brennholznutzung und Waldvernichtung, die schlichtweg falsch sind“, kritisiert Pressesprecher Städing. Noch absurder wird es für die Forstleutevertretung, wenn berichtet wird,  EU-seitig die Holzverbrennung nicht mehr als regenerativ einzustufen, während Atomstrom gerade als regenerativ anerkannt wurde.

Gerne Kritik, aber keine manipulativen Berichte

Der Bund Deutscher Forstleute plädiert für artenreiche Mischwälder, die naturnah bewirtschaftet werden und damit viele gesellschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen können. „Die verschiedenen Ansprüche an unsere Wälder zusammenzuführen, ist tägliche Arbeit unserer Mitglieder“, so Bundesvorsitzender Ulrich Dohle. „Dabei wünschen wir uns durchaus kritische Begleitung und Berichterstattung – allerdings auf Basis von Fakten und Argumenten und nicht von vorgefassten Meinungen. So sind wir erstaunt, dass es dem TV-Team nicht gelungen ist, einen Brennholzverbraucher sowie Waldbesitzer oder Vertreter der Pelletindustrie und von Fachinstitutionen vor die Kamera zu bekommen.“ Für den Bund Deutscher Forstleute verdient dieser Bericht daher kein Plus, sondern ein doppeltes Minus.

 

Einige Fakten:

  • Ein Kubikmeter Holz- oder Baummasse speichert rund eine Tonne CO2 (Kohlendioxid)
  • Tatsächlich wird lediglich der Kohlenstoff (C gespeichert. Bei der chemischen Umwandlung per Photosynthese wird der Sauerstoff (O2) wieder freigesetzt.
  • Wenn ein Baum im Wald geerntet wird, wird das CO2 im verarbeiteten Holz weiter gespeichert (Produktspeicher als Möbel, Holzhaus o.ä.). Das sind ca. 6 Mio. Tonnen CO2 jährlich.
  • Brennholz fällt bei der Nutzung der Wälder anteilig an, da nicht alle Baumteile einer hochwertigen Nutzung zum Beispiel im Sägewerk zugeführt werden können.
  • Wird ein Teil des Baumes verbrannt, wird der enthaltene Kohlenstoff sofort freigesetzt.
  • Wenn es sich nicht um einen Kahlschlag aller Bäume gehandelt hat (in Deutschland die Ausnahme) erobern die Nachbarbäume des Waldes innerhalb von etwa ein bis drei Jahren den Wuchsraum und übernehmen die Rolle als CO2-Speicher.
  • Im Gegensatz dazu wird der Kohlenstoff, der in fossilen Energien (Gas, Erdöl, Braun- und Steinkohle) enthalten ist, zusätzlich freigesetzt und erhöht den CO2-Anteil in der Atmosphäre mit den heute bekannten Folgen der Klimaerwärmung.
  • Diese fossilen Energieträger bestehen aus untergegangenen Wäldern. Ihre Verbrennung ist irreversibel.
  • Substitutionseffekt: Ein Raummeter Holz (etwa 2/3 eines Kubikmeters Holzmasse) spart 200 Kilowattstunden (kwh) Erdgas oder 150 ltr. Heizöl ein. Dies sind grobe Richtwerte.
  • Holz entlastet also beim Verbrauch fossiler Energien.
  • Nach Mantau (2018) werden 23 Prozent des genutzten Waldholzes in privaten Haushalten energetisch genutzt. https://mediathek.fnr.de/grafiken/daten-und-fakten/forstwirtschaft/verwendung-von-waldholz-derbholz-2016.html
  • Holz ist nicht die Lösung der Energiefrage: In einer Studie zur Bioenergie weist die Leopoldina 2012 darauf hin, dass die (theoretische) Verbrennung des jährlichen Holzeinschlages in Deutschland lediglich vier Prozent des gesamten Primärenergieverbrauches ersetzen würde.
  • Trotz Nutzung speichern die deutschen Wälder etwa sieben Prozent der jährlichen Emissionen in Deutschland. Die Zahl bezieht sich auf die Bundeswaldinventur 2012 und beinhaltet nicht die Waldflächenverluste seit 2018 bis heute. https://www.bundeswaldinventur.de/fileadmin/SITE_MASTER/content/Downloads/CI2017/2019-04_FlyerKohlenstoffinventur2017_final.pdf
  • Viele Einzelhaushalte heizen mit Holz. Sie werden versuchen, teure fossile Energie durch Heizen mit Holz zu kompensieren. Beispiel Niedersachsen:

2017 gab es 1,045 Mio. Scheitholz-Feuerungen, 21.000 Pellet-Feuerungen und gut 4.000 Hackschnitzelanlagen (alle < 1MW). Bei rund vier Mio. Einzelhaushalten in Niedersachsen (Mikrozensus 2016) kann man also davon ausgehen, dass in jedem vierten Haushalt eine Holzfeuerung steht. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von knapp 2,5 Kubikmetern Scheitholz (davon ¾ Waldholz) im Jahr 2017, werden vor allem diese Haushalte beim zu erwartenden Anstieg der Gaspreise bis zum Dreifachen den Holzverbrauch erhöhen, um die steigenden Kosten für Gas- und Heizöl etwas zu kompensieren.

(Quelle: Feuerstättenzählung Niedersachsen 2017) file:///C:/Users/T460s/Downloads/Feuerstttenzhlung_Niedersachsen_2017-1.pdf

  • In Deutschland gibt es geschätzt 1,8 Millionen private Waldbesitzer, die überwiegend (> 90 Prozent) sogenannte Kleinstprivatwaldbesitzer mit Waldflächen unter 20 Hektar (Durchschnitt ca. 2,5 Hektar = 25.000 Quadratmeter) sind. In einer Umfrage im Jahr 2016 bekundeten 23 Prozent der befragten Waldbesitzer Interesse an einer Nutzung ihres Waldes, zum Beispiel als Brennholz für den Eigenbedarf. Auch hier werden die stark steigenden fossilen Energiekosten den eigenen Wald als Energiequelle wieder interessant machen. Wenn man je Waldbesitzer einen Haushalt unterstellt, haben immerhin 4,4 Prozent der bundesdeutschen Haushalte eigenen Wald.

https://www.charta-fuer-holz.de/fileadmin/allgemein/pdf/veranstaltungen/Kleinprivatwald_Fachgespr%C3%A4ch_2017/2_B._Seintsch_Kleinprivatwald_in_Deutschland.pdf