Künstliche Felsnischen für den König der Lüfte

Niedersächische Landesforsten setzen sich im Solling für den Schutz des bedrohten Uhus ein

Der seltene Uhu kann im Wilpark Neuhaus bestaunt werden. Bild: Manfred Delpho

Er misst über 1,60 Meter Flügelspannweite, wird bis zu drei Kilogramm schwer und ist der König der Lüfte im Solling: Der Uhu, die größte Eulenart in Europa und jahrhundertelang vom Menschen verfolgt, ist wieder heimisch im "Waldgebiet des Jahres 2013".

"Wir haben jährlich zwischen fünf und sieben erfolgreiche Bruten und dadurch etwa zehn Jungvögel", weiß Kai Conrad. Der 39-jährige ist bei den Niedersächsischen Landesforsten als Förster für Waldökologie verantwortlich für den Artenschutz im Solling und beschäftigt sich täglich mit dem Lebensraum Wald sowie den seltenen Arten - etwa dem Schwarzstorch, dem Wanderfalken und dem Rotmilan. Ein gutes Mäusejahr sei auch ein gutes Uhujahr, da das Männchen das Weibchen mit „geschenkten“ Mäusen in Brutstimmung bringen muss. 

Der Uhu bevorzuge die Ränder des Sollings für seine Bruten, denn sein eigentlicher Jagdraum ist das reich strukturierte Offenland, wo er Mäusen, Igeln und Ratten, aber auch kleinen Vögeln und Mardern nachstellt. Die Brutstätten des Uhus aber, die die Forstleute geheim halten, damit die Brut nicht gestört wird, liegen in der Region im oder am Wald. "Er braucht Felswände, die mindestens zehn Meter hoch sein müssen. Dort nutzt er Felsnischen als Nistplatz, dort ist er sicher vor Waschbären und Mardern", erläutert Conrad. Als recht schwergewichtiger Vogel brauche der Uhu auch eine gewisse Höhe, da er sich zunächst regelrecht aus dem Nest fallen lasse, ehe er mit kräftigen Flügelschlägen durchstarte.

Dass der Uhu überhaupt geeignete Brutplätze im Solling findet, ist auch ein Verdienst der Landesforsten. "Wir sorgen dafür, dass Felswände und ehemalige Steinbrüche nicht zuwachsen und der Uhu so weiter freien Anflug hat", erläutert Conrad. Seit Jahren schon investierten die Landesforsten Geld, um wichtige Brutbiotope für den Uhu von hohen Bäumen freizuhalten. Vor vier Jahren habe man zudem in vier Steinbrüchen, die potenziell geeignet sind, mit Presslufthämmern künstliche Brutnischen angelegt und zusammen rund 50.000 Euro investiert. "Ein Uhu ist sehr standorttreu und bleibt das ganze Jahr über in seinem Revier. Es dauert mitunter Jahre, bis eine neue Nistmöglichkeit zum Bespiel von einem Junguhu besiedelt wird", sagt Conrad. Es gebe aber bereits Beispiele, unter anderem im Landkreis Northeim, wo eine künstlich geschaffene Nistnische vom Uhu angenommen worden sei. Auch die Pflege von strukturreichen Wiesentälern im Solling, die vom Uhu als Jagdrevier genutzt werden, komme den scheuen Tieren zugute.  

Da der Uhu keine natürlichen Feinde habe, seien von Menschen geschaffene Einrichtungen die größte Gefahr für ihn: Straßen- und Bahnverkehr sowie Verdrahtungen in der Landschaft. In ausgeräumten Landschaften mit wenigen Strukturen wie Hecken und Grünland findet der Uhu zudem kaum Nahrung. Große Sorgen bereitet den Landesforsten aber auch der Mensch bei seinen Freizeitaktivitäten. Zwar sei mit den örtlichen Kletterverbänden eine Vereinbarung getroffen worden, die vom Uhu genutzten Gebiete während der Brutzeit zu meiden, weiß Conrad. Der neue Volkssport Geocaching aber führe dazu, dass sich die Schatzsucher von heute sogar in Steinbrüche abseilen - und dabei die Felsenbrüter beim Brutgeschäft stören. "Wir appellieren, auf die Natur Rücksicht zu nehmen. Das gilt auch für Hundehalter, die ihren Hund in der Brut- und Setzzeit vom 1. April bis 15. Juli an die Leine nehmen müssen", sagt Conrad. Auch die Landesforsten berücksichtigen und respektieren diese Brutzeit und haben eigenverantwortlich Schutzzonen um bekannte Horste eingerichtet. So darf in diesen Bereichen um die Brutstätten von Schwarzstorch, Milan, Wanderfalke und Uhu in dieser Zeit weder Holz geschlagen, Brennholz aufbereitet noch gejagt werden.

Wer einen Uhu in freier Wildbahn sieht, kann sich glücklich schätzen. Denn tagsüber sitzt dieser meist bewegungslos und gut getarnt in den Kronen hoher Nadelbäume. Wer ihn dennoch erleben möchte, sollte den Wildpark Neuhaus besuchen. Dort ist seit 2012 ein Uhupaar heimisch. "Die junge Uhudame und der Uhuherr müssen sich erst noch finden", sagt Förster und Wildparkleiter Robert Willeke. Aber perspektivisch rechnet er bei dem Pärchen mit Nachwuchs. Außer im Gehege können die Uhus dort ab Karfreitag auch täglich um 11.30 Uhr sowie um 15 Uhr bei einer Flugvorführung bestaunt werden (außer an Montagen, die keine Feiertage sind).

Steckbrief Uhu
- größte einheimische Eulenart, standorttreu, orange-gelbe Augen, lautloser Flug
- war über 100 Jahre lang ausgestorben in unserer Region, seit den 70er Jahren erfolgreiche Wiederansiedlungen in ganz Deutschland
- brütet in natürlichen Felsnischen, Steinbrüchen oder auf Bäumen
- etwa fünf bis sieben Brutpaare im Solling, rund 1500 in Deutschland
- wird in der Natur bis zu 27 Jahre alt - aber nur drei von zehn Uhus überstehen das erste Lebensjahr