Insektenrückgang weitreichender als vermutet

Insektenarten, wie diese Kleine Goldschrecke (Chrysochraon dispar), sind in ihren Beständen zurückgegangen. Foto: Martin Fellendorf / Universität Ulm

Auf vielen Flächen tummeln sich heute etwa ein Drittel weniger Insektenarten als noch vor einem Jahrzehnt. Dies geht aus einer Untersuchung eines von der Technischen Universität München (TUM) angeführten internationalen Forschungsteams hervor. Vom Artenschwund betroffen sind vor allem Wiesen, die sich in einer stark landwirtschaftlich genutzten Umgebung befinden – aber auch Wald- und Schutzgebiete.

Dass es auf deutschen Wiesen weniger zirpt, summt, kreucht und fleucht als noch vor 25 Jahren, haben bereits mehrere Studien gezeigt. „Bisherige Studien konzentrierten sich aber entweder ausschließlich auf die Biomasse, also das Gesamtgewicht aller Insekten, oder auf einzelne Arten oder Artengruppen. Dass tatsächlich ein Großteil aller Insektengruppen betroffen ist, war bisher nicht klar“, sagt Dr. Sebastian Seibold, Forscher am Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie der TU München. Sowohl auf den Waldflächen als auch auf den Wiesen zählten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach zehn Jahren etwa ein Drittel weniger Insektenarten.

„Bisher war nicht klar, ob und wie stark auch der Wald vom Insektenrückgang berührt ist“, sagt Seibold. Das Team stellte fest, dass die Biomasse der Insekten in den untersuchten Wäldern seit 2008 um etwa 40 Prozent zurückgegangen war. Im Grünland waren die Ergebnisse noch alarmierender: Am Ende des Untersuchungszeitraums hatte sich die Insektenbiomasse auf nur ein Drittel ihres früheren Niveaus verringert.

Im Wald schwanden vorwiegend jene Insektengruppen, die weitere Strecken zurücklegen. „Ob mobilere Arten aus dem Wald während ihrer Ausbreitung stärker mit der Landwirtschaft in Kontakt kommen oder ob die Ursachen doch auch mit den Lebensbedingungen in den Wäldern zusammenhängen, müssen wir noch herausfinden“, sagt der ehemalige TUM-Mitarbeiter Dr. Martin Gossner. „Aktuelle Initiativen gegen den Insektenrückgang kümmern sich viel zu sehr um die Bewirtschaftung einzelner Flächen und agieren weitestgehend unabhängig voneinander“, sagt Seibold. „Um den Rückgang aufzuhalten, benötigen wir ausgehend von unseren Ergebnissen eine stärkere Abstimmung und Koordination auf regionaler und nationaler Ebene.“


Zum Artikel in "nature": https://www.nature.com/articles/s41586-019-1684-3