Sie sind ein wahres Multitalent in Thüringens Waldböden, trotzdem verstecken sie sich vor den Waldbesuchern und haben auch noch einen fast unaussprechlichen Namen: Mykorrhizapilze. Ihr Erfolgsrezept ist die enge Lebensgemeinschaft mit Bäumen, dessen Wirkungsweise bis heute der Wissenschaft viele Rätsel aufgibt. Mykorrhizapilze sind faszinierende Lebewesen, weder Tier noch Pflanze, auf dessen Förderung aber vor allem der Förster hinwirkt. Denn er weiß: geht es den Mykorrhizapilzen gut, geht es auch dem Wald gut.
Eine faszinierende Lebensgemeinschaft zwischen Baum und Pilz
Etwa ein Drittel der in Thüringer Wäldern auftretenden ca. 4000 Großpilze sind Mykorrhizapilze. Dazu gehören wertvolle Speisepilze wie Steinpilz, Trüffel oder Maronen. Doch der Förster schätzt nicht nur den kulinarischen Genuss der Fruchtkörper über dem Waldboden, sondern vor allem das was im Waldboden geschieht. An nahezu allen heimischen Waldbäumen ummanteln die Mykorrhizapilze watteartig deren Feinwurzelsystem. Derart eingebettet sind die empfindlichen Feinwurzeln von Fichte, Buche & Co, vor Schadstoffen wie Schwermetallen und radioaktiven Substanzen sowie krankheitserregenden Bodenorganismen geschützt. Mehr noch, das watteartige, fädige Pilzgeflecht, das den Boden nicht nur netzartig durchzieht, sondern auch verkittet und damit stabilisiert, versorgt den Baum neben Wasser auch mit Nährstoffen wie Stickstoff oder Phosphor. Dafür erhält der Pilz im Gegenzug lebenswichtigen Zucker aus der Photosynthese des Baumes. „Eine faszinierende Lebensgemeinschaft, dem Blick der Waldbesucher weitgehend entzogen“, so Volker Gebhardt, ThüringenForst-Vorstand.
Erhöhte Stickstoffeinträge bedrohen das Multitalent
Wissenschaftler haben erforscht, dass Mykorrhizapilze sehr sensibel auf Umweltveränderungen reagieren, insbesondere auf erhöhte Stickstoffkonzentrationen im Waldboden. Unvermindert hohe Anteile dieses chemischen Elements werden vom Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrums der Landesforstanstalt an speziellen Messstationen im Wald schon seit Jahren nachgewiesen. Ursächlich sind Einträge aus Landwirtschaft, Industrie, Heizung und Verkehr. „Es ist zu befürchten, dass gewisse Pilzarten unter erhöhtem Stickstoffeintrag mittelfristig verschwinden werden. Welche Auswirkungen dies auf die Wälder hat ist kaum abzuschätzen“, beschreibt Gebhardt das Phänomen. Insbesondere die Verminderung dieser Einträge kann der einzigartigen Lebensgemeinschaft helfen.
Mischwälder und Durchforstungen unterstützen Mykorrhizapilze
Mit waldbaulichen Maßnahmen wie Mischwaldförderung und regelmäßigen Durchforstungen kann seitens der Förster die Biodiversität und die Fruchtkörperproduktion der Mykorrhizapilze gefördert werden. Durchforstungen etwa, viele Feldversuche zeigen dies, verbessern durch Holzeinschlag das Kronenwachstum der verbleibenden Bäume. Diese reagieren mit einem Wachstumsschub, während unter der Erde die Mykorrhizapilze förmlich explodieren. Allerdings bekämpfen diese forstlichen Maßnahmen nur das Symptom, nicht die Ursache. Was bleibt ist die nüchterne Erkenntnis einer Lebensgemeinschaft auf Gedeih und Verderb.